Puh, schnell was geschrieben, Fußball gucken gefahren, heimgekommen und festgestellt, was hier so abgegangen ist

"Schlecht" im Vergleich zu anderen Ländern zu sehen ist eine limitierte Betrachtungsweise, die sich nicht an Idealen sondern an real existierenden Verhältnissen misst. Das Ziel ist aber nicht so "gut" zu bleiben wie man ist, sondern ständige Verbesserung von allem, was man für wichtig hält. "Jammern auf hohem Niveau" ist daher nicht illegitim, sondern genau das, was wir brauchen. In Deutschland pupst man auch kein Rosenwasser und lebt in Saus und Braus und nur weil es woanders schlimmer ist, sind die empfundenen Ungerechtigkeiten allerdings nicht nichtig. Negativität ist der Motor zu Verbesserung - Nutzen, nicht klein machen! Das zu zZigges letztem Post!
Nun allgemein!
Find die Diskussion sehr interessant, stehe wohl aber zwischen zigge und dan, weil ich an beiden richtige Dinge entdecke. Frage Reform oder Revolution ist sehr interessant. Reform ist langsam und wenig effektiv, nervenaufreibend und zermürbend. Aber es kommen weniger Menschen ums Leben, Gewalt ist indirekter und strukturell, meist zentralisiert.
Revolution muss richtig übel knallen und alles aus den Angeln heben. Hohe Gefahr, dass das was man erreichen will sich ins Gegenteil verkehrt und Methoden-Ziel-Combo ist oft doch sehr widersprüchlich. Zudem macht man nahezu alles kaputt, auch das was vorher gut lief! Dennoch die einzige Möglichkeit ein Ideal vollends zu erreichen, weil man eben keine Kompromisse eingeht und auch das ganze System austauschen/ entscheidend modifizieren kann.
Das Herz schreit Revolution, die Wut auch, der Verstand wägt Risiken ab und handelt risikoavers und entscheidet sich pragmatisch zur individuellen Nutzenmaximierung per Reform. Lieber Teil der Gewinner werden als das Verlieren abschaffen zu wollen. Der Weg den die meisten aus verständlichen Gründen wählen ist der weniger radikale, der zugleich aber auch jeglichem Idealismus entbehrt.
Ganz ab von diesen doch sehr abstrakten Dingen geht es aber in unserm Fall vor allem darum, wie man aktuell Handeln sollte und wie ganz pragmatisch solche Situationen anzugehen sind. Ich halte es für gefährlich, wenn Vertreter des Staates sich auf ihrem Gewaltmonopol ausruhen und dies über Gebühr ausnutzen. Das Monopol an legitimer Gewalt hat er ja nur, solange die Unterstützung der Bevölkerung dafür da ist. Mit jedem Wasserwerfereinsatz, Tomfaeinsatzbefehl, mit jeder Aktion, die kritisiert werden kann und sich der Argumentation nicht widersetzen kann und sie damit nicht entkräftet schwindet die Legitimität des Gewaltmonopols. Schleichend entzieht sich die Grundlage staatlichen Handelns, was eine existentielle Bedrohung darstellen wird.
Wir hören ja hier oft "Angemessenheit der Mittel". Man kann allerdings wütende Demonstranten nicht mit der Polizei oder anderen staatlichen Organen vergleichen, weil die einen lediglich an die Bürgerpflicht gebunden sind, jedoch für ihre Interessen mit vielen Möglichkeiten eintreten können, zivilier Ungehorsam usw. Staatsmacht hat krassere Auflagen und das zurecht. Wie bei Spiderman nachzulesen: Große Macht ist auch immer mit großer Verantwortung verbunden.
Daher meine Rede: Die Deeskalation muss beim Staat beginnen, radikale Menschen entradikalisiert man nicht durch Druck, sondern durch Integration und das Ernstnehmen ihrer Anliegen, insofern es nicht nur Krawallleute sind. Diese treten aber immer bei "normalen" Demos zu Tage und nie isoliert. Krawall-only Geschichten kommen IMO nicht vor. Ne Demokratiereform, die echte Partizipation ermöglicht und Leute mit echten Rechten ausstattet ist da viel effektiver und vor allem viel ungefährlicher fürs System. Ich persönlich fühle riesige Wut in mir aufsteigen, wenn ich mitkriege, dass sich Polizisten in Ausübung ihrer Aufgaben und mit Hilfe ihrer Befugnisse daneben benehmen. Ich weiss nicht, zu was ich fähig wäre, wenn ich sowas live erleben würde, aber da ist wohl die Grenze nach oben offen, wie wohl bei jedem. Ich jedenfall halte das Gewalt und Machtmonopol des Staates in vielen Fällen für nicht legitim und das ist es wohl auch, was Dan ausdrücken wollte.
Boah zu lang der Kram und noch lange nicht ausführlich genug, sodass sich da noch einige Ecken drinnen befinden, die ich auszufüllen aber grade nicht eifrig genug bin. Aber eins muss ich noch loswerden an meinen Lieblingsforumssoziologen, in Farbe und bunt
Luhmann ist voll doof, weil er das System nie von aussen betrachtet und für ihn überhaupt nicht in Frage kommt, dass ein System überwunden werden kann und nicht nur reformiert. Die Betrachtung von aussen führt IMHO aber zu besseren Ergebnissen.
