Zugegeben, ein etwas provokativer Titel für diesen Beitrag. Und klar ist auch, dass der Berliner Markt, also Kundschaft wie Kuriere insgesamt, von einer weiteren Zersplitterung des Marktes vermutlich eher nicht profitieren würden.
Dennoch hier mal ein Versuch, einen etwas abstrahierten Blick auf die Zentralenlandschaft in Berlins zu wagen.
Irgendwas um die 60-70 % aller Berliner Radtouren läuft über die "großen" Zentralen. Die restlichen 30-40 % liegen bei diversen Kleinzentralen. Bei den Autotouren sieht die Situation etwas anders aus. Hier beträgt der Marktanteil der "Platzhirsche" unter den Kurierdiensten nur um die 50 %, der Marktanteil der kleineren Dienstleister ist höher. Letzteres liegt an mehreren Faktoren: es gibt im Pkw-Bereich diverse Branchendienstleister, außerdem sind die im Pkw-Bereich erwarteten Servicezeiten nicht so knapp wie im Radgeschäft. D. h. kleinere Kurierdienstanbieter haben es leichter, Fuß zu fassen.
Doch zunächst mal zu den Radtouren und den Konditionen für Radkuriere:
Wie man sehr eindrucksvoll am twister/Cosmo-Kleinkrieg sehen kann, gibt es in dem ewigen "meine Zentrale ist besser als Deine" kaum objektive Argumente, warum es Kurieren bei einer Zentrale besser gehen sollte als bei einer anderen. Wenn man die ganzen ideologischen Fragen mal außen vor läßt und sich auf die Frage konzentriert, wo man letztlich als Kurier wie viel verdienen kann, dann kann man als Faustregel derzeit nur sagen, dass die größeren Zentralen tendenziell bessere Umsätze/Erträge versprechen als die Kleinzentralen. Welche Zentrale dann nun für einen konkreten Kurier mit seinen konkreten Ansprüchen die "bessere" Zentrale ist, hängt vom Tourenprofil, der monatlichen Einsatzzeit, und natürlich von den individuellen Ansprüchen ans Betriebsklima ab.
Ein Vollzeitfahrer in Berlin ist bei den allermeisten Zentralen mit einem Abgabenapparat von ungefähr 1/3 auf den eingefahrenen Umsatz konfrontiert. Die großen Zentralen mit hohem Tourenaufkommen weichen tendenziell nach oben ab, haben aber auch bessere Fuhrlöhne. Bei Kleinzentralen liegt der Abgabenapparat um die 30 %, die Tourenpreise sind aber etwas niedriger.
Der Sonderfall "Zentrale mit Vermittlungspauschale" kann für echte Vielfahrer monatsweise zu günstigeren Konditionen führen. Jedoch sind häufig Einlagen, Anschlußgebühren o. ä. zu leisten, die das kalkulatorisch revidieren. Außerdem nivelliert sich die in Spitzenmonaten geringe Abgabenlast durch auftragsschwache Monate, Urlaub etc. wieder aus. Auch werden so Faktoren wie Rabattumlagen usw. gern bei den rechnischeren Erlösbetrachtungen außen vor gelassen, schmälern aber letztlich doch die real auf dem Konto auflaufenden Auszahlungen.
Diese 1/3 Abgabenapparat auf einen Vollzeitfahrer bezogen sind irgendwas in der Dimension um 500-700 Euro, ganz grob gepeilt. Jeden Monat. Damit wird der Zentralenbetrieb finanziert, d. h. Räumlichkeiten, Infrastruktur, Personal. Bei den meisten Zentralen verdient das Büropersonal dabei nicht unbedingt viel. Es gibt bei einigen Firmen zwar tendenziell etwas gierigere Chefetagen, aber allgemein lebt die Führungsetage eines Kurierdienstes nicht unbedingt in Saus und Braus. Irgendwelche Anfeindungen gegen die Unternehmensführungen von Kurierzentralen sind also meist eher nicht so begründet.
Dennoch fragt man sich natürlich, warum dieser Abgabenapparat da ist.
Wie ich in dem unsäglichen inline/Cosmo-Thread schon geschrieben habe, bin ich ja nun bei mehreren Zentralen aktiv gewesen. Und habe da eine Menge recht synchroner Muster an suboptimaler Wirtschaft gesehen. Man könnte einiges besser machen. Ich hatte gehofft, dass bei dem einen der Projekte, wo ich dabei war, ein paar Fehler nicht gemacht werden. Tatsächlich sind gewisse Kostenapparate dort nicht aufgebauscht worden. Dafür hat es da andere Probleme geben.
Jedenfalls behaupte ich, dass es eigentlich möglich sein sollte, eine (Rad-)Kurierzentrale mit einem mittleren Auftragsaufkommen, also ohne "Marktführer-Ambitionen", so aufziehen zu können, dass man den Zentralenbetrieb mit 20 % vom Kurierumsatz finanzieren kann. Und zwar ohne zusätzliche Abgabensockel, ohne monströse Einlagen oder komische Kündigungsfristen. Einfach 20 % auf das, was eingefahren wird. Bei marktüblichen Fuhrlöhnen, also ohne gar zu krasses Preisdumping zum Kunden hin betreiben zu müssen. Allenfalls zu den Kurieren hin mit einer Mindestprovi, um sicherzustellen, dass angeschlossene Fahrer wenigstens einen Sockel an Umsatz einfahren und nicht zu "Verwaltungsleichen" werden.
Tja, und da stellt sich nun die Frage: Wäre sowas eigentlich in der Berliner Kurierlandschaft interessant, quasi als neues Aufbauprojekt?
Wen das Thema interessiert, der kann mich gern anmailen.
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